Fehler- / Ableitstrom – Ein unerwünschter Effekt ?

Was bedeutet Ableitstrom und woher kommt der Begriff in der Elektrotechnik? Nun, um es einfach auszudrücken bezeichnet man einen Stromfluss als Ableitstrom, wenn er in einem fehlerfreien Stromkreis zu einem auf erdpotential liegenden Anschlusspunkt fließt.

Wenn aber in einem Störfall, d.h. durch einen Isolationsfehler dieser Strom z.B. über einen Menschen abfließt, dann spricht man von einem Fehlerstrom. Um den Menschen in so einem Störungsfall zu schützen und den Fehlerstrom auf ein Minimum zu reduzieren ist der Einbau von einem Fehlerstromschutzschalter unerlässlich.

Fehlerstromschutzschalter

Der Ableitstrom wird im einfachsten Fall über den Schutzleiter abgeführt und kann daher als Schutzleiterstrom gemessen werden. Bei den in der Hausinstallation üblicherweise eingesetzten Fehlerstromschutzschaltern (FI / RCD) wird über eine Spule der Summenstrom der 3 Außenleiter und des Neutralleiters gemessen. (Siehe Abbildung 1) Ergibt sich eine Differenz, wird diese als Ableitstrom bewertet und führt über eine nachgeschaltete Abschalteinrichtung zur Trennung von der Stromquelle.

Abbildung 1: Funktionsprinzip eines Fehlerstromschutzschalters (FI / RCD)

Der maximale Grenzwert für den Schutzleiterstrom ist nach DIN VDE 0701-0702:2008 wie folgt festgelegt:

  • Allgemeine Verbraucher: 3,5 mA
  • Geräte mit eingebauten Heizelementen und einer Leistung > 3,5 kW: 1 mA/kW bis max. 10 mA

Ableitströme müssen dabei nicht zwangsläufig über den Schutzleiter abfließen. Es ist im Allgemeinen in der Elektrotechnik so, dass dieser Strom in einem elektronischen Verbraucher oder Gerät auch über parasitäre Kapazitäten abfließen kann. Hierbei kann der Ableitstrom beispielweise über die Gebäudearmierung zum Erdpotential fließen.

Doch Vorsicht, in der Medizintechnik gibt es als Besonderheit noch den Patientenableitstrom. Diesen werden wir in diesem Beitrag nicht näher betrachten und unser Augenmerk auf die Elektrogeräte und die Industrieumgebung richten.

Was versteht man unter parasitären Kapazitäten?

Kondensatoren sind elektrische Bauelemente, die in der Lage sind Wechselstrom zu transportieren oder elektrische Energie zu speichern.

Einfach ausgedrückt besteht ein Kondensator aus 2 leitfähigen Belägen, die durch eine Isolationsschicht getrennt sind. Je nach Bauform oder Art vom Kondensator kann das Ganze wickelförmig oder stabförmig aufgebaut sein. Abbildung 2 zeigt zwei mögliche Bauformen. Der leitfähige Belag besteht in der Regel aus zwei Aluminiumfolien die durch den Einbau einer Kunststofffolie isoliert werden. Je nach Beschaffenheit der Kunststofffolie können unterschiedlich große Kapazitätswerte realisiert werden. Zum Aufbau sehr großer Kondensatoren wird zusätzlich die Wicklung noch mit einem Elektrolyt (Flüssigkeit) getränkt.

Soviel nun zur Kondensatortheorie, kommen wir nun zu den parasitären Kapazitäten.

Abbildung 2: Kondensatorbauformen als Plattenkondensator und Wickelkondensator

Wie schon ausgeführt ist ein Kondensator in der Lage einen Wechselstrom zu transportieren.

Wenn man sich jetzt vorstellt, dass eine Isolierschicht und 2 leitfähige Materialien zu einem Kondensator werden, dann hat man es bei isolierten Leitern ebenfalls mit einem Kondensator zu tun. Da es sich hierbei allerdings nicht um einen gewollten Kondensator handelt, spricht man auch von  parasitären Kapazitäten.

Die parasitären Kapazitäten findet man schnell bei Kabel und Leitungen, Wickelgütern (z.B. Transformatoren, Spulen, etc.), Frequenzumrichtern, Netzteilen, unterbrechungsfreien Stromversorgungen, EMV-Filter usw.

Frequenzumrichter und Ableitströme

Die meisten der elektronischen Produkte formen aus einer Wechselspannung eine Gleichspannung und / oder auch umgekehrt. Damit kommt es zu Schaltfrequenzen im kHz – Bereich wie in einem Wechselrichter von einem Frequenzumrichter.

Die Schaltfrequenz bedingt dabei einen Potentialsprung gegenüber der Schutzerde (PE). Somit haben wir es an dieser Stelle mehr oder weniger mit einer Wechselspannung zu tun, wenn auch nur mit geringer Spannung, aber dennoch groß genug um über die Isolationsschicht, d.h. den parasitären Kondensator, einen Wechselstrom zu treiben. Dieser fließende Wechselstrom ist dann leider der unerwünschte Ableitstrom, der an anderer Stelle seinen negativen Einfluss zeigt.

Abbildung 3 zeigt das Prinzipschaltbild eines Frequenzumrichters mit der gewollten Ableitkapazität (schwarz) und den ungewollten / parasitären Ableitkapazitäten (rot).

Abbildung 3: Prinzipschaltbild eines Frequenzumrichters mit den möglichen parasitären Ableitkapazitäten

EMV-Filter

Jedoch sind es nicht nur die parasitären Ströme, die bedingt durch die Schaltfrequenz im Leistungsteil von einem Frequenzumrichter entstehen, zusätzlich haben wir es auch noch mit Ableitströmen zu tun, die durch unvorteilhaft eingebaute EMV – Filter (Eingangsfilter) entstehen.

EMV – Filter (in Abbildung 3 als Netzfilter bezeichnet) werden im Netzeingangskreis vom Umrichter zur Unterdrückung der leitungsgebundenen Störungen eingebaut. Abbildung 4 zeigt ein einfaches EMV Filter.

 Abbildung 4: Prinzipschaltbild eines EMV-Filters

Das gewählte Filter muss dabei die Störaussendung der Last, auf den Anschlusspunkt der Netzspannung nach dem für die Leistung vom Produkt relevanten Toleranzband, begrenzen. Je nach Aufbau und Filterstufe des EMV-Filters werden hierbei unterschiedliche Kondensatoren und Induktivitäten verschaltet, die als Y – Kondensatoren auch eine elektrische Verbindung auf den Schutzleiter bzw. das Metallgehäuse haben. Je nach Kapazität der Y – Kondensatoren und vorhandenen Frequenzen fließt dann ein Ableitstrom als Wechselstrom mit der Netzfrequenz bzw. Schaltfrequenz moduliert gegen den Schutzleiter ab.

Sinusfilter

Doch damit nicht genug. Wird zwischen dem Umrichterausgang und dem Drehstrommotor noch ein Sinus – Ausgangsfilter benötigt (in Abbildung 3 als Ausgangsfilter bezeichnet), dann kommt es zu einem weiteren Ableitstrom. Dieser ist bedingt durch die Kondensatoren im Sinusfilter und durch die angeschlossenen abgeschirmten Kabel zwischen dem Filter und dem Drehstrommotor. Die abgeschirmten Leitungen zwischen dem Filter und dem Motor bilden in diesem Fall leider keine zu vernachlässigende parasitäre Kapazität bedingt durch den Aufbau der Kabel (Verdrillung, Isolation, etc.).

Wenn man sich so einen Frequenzumrichter unter diesem Ansatz betrachtet, ergeben sich in Summe drei mögliche Quellen für die Erzeugung von Ableitströmen:

  1. EMV – Filter
  2. Wechselrichter
  3. Sinusausgangsfilter incl. Kabel und Motor

Frequenzumrichter und Fehlerstromschutzschalter

Damit steht man vor dem Problem das ein Antriebsumrichter nicht mit einem Standard – Fehlerstromschutzschalter betrieben werden kann. Durch die hohen Schaltfrequenzen im Wechselrichter (PWM) besteht der Ableitstrom nicht nur aus einem 50 Hz Anteil sondern aus einem weiten Frequenzband bis in den MHz – Bereich. Allerdings kann es auch möglich sein, dass durch den Einsatz von modernen elektronischen Geräten ein Gleichstromanteil im Ableitstrom enthalten ist, der den Fehlerstromschutzschalter außer Betrieb setzt.

Dieser Anforderung haben sich einige Hersteller gestellt und einen allstromsensitiven Schutzschalter entwickelt, der gerade diesen speziellen Ausprägungen gerecht wird. Unter gewissen Bedingungen kann dieser in Verbindung mit einem Antriebsumrichter eingesetzt werden.

Neben dem Einsatz von einem allstromsensitiven Schutzschalter sollte jedoch im Vorfeld der Installation, d.h. bereits in der Planung die Verwendung oder der Einbau von ableitstromarmen EMV – Filtern der Vorzug gegeben werden. Auch kann der Einsatz von einem Summen EMV Filter ggf. an der einen oder anderen Stelle einen Vorteil bringen, im Vergleich zum Einsatz einzelner Störfilter.

Ableitströme über Motoren und Getriebe

Beim Einsatz von Frequenzumrichtern fließen die Ableitströme zu einem nicht unerheblichen Teil auch über die dem Motor nachgelagerten mechanischen Bauteile ab. Diese Ströme zerstören innerhalb kurzer Zeit Lager und bringen damit teure Wartungen und Stillstandzeiten mit sich. Dieser Aspekt darf bei der Planung von Anlagen nicht vernachlässigt werden. Es sind zwar bei Frequenzumrichtern meistens nichtleitende Kupplungen zwischen Motor und Getriebe verbaut, aber auch diese können wieder als Kondensator wirken und trotzdem hochfrequente Ströme über die Lager fließen lassen.

Motorleitungen bei Frequenzumrichtern

Um die Ableitströme auf den Motorleitungen möglichst gering zu halten, können entweder die Leitungslängen verkürzt oder entsprechende Leitungen verwendet werden. Hierbei hat sowohl der Leitungsaufbau als auch die Schirmung einen großen Einfluss auf die Ableitströme. Es ist zu beachten, dass nicht alle als EMV Leitungstypen angebotenen Leitungen die gleich guten Eigenschaften aufweisen und somit nicht alle „gleich gut“ verwendet werden können. Zudem muss der Schirmauflegung die notwendige Aufmerksamkeit gegeben werden, so dass diese überhaupt wirksam ist. Ein weiteres hier oft unbeachtetes Merkmal ist, dass die Art der Leitungsverlegung ebenfalls einen großen Einfluss auf die Ableitstrombetrachtung hat.

Zusammenfassung

Abschließend kann man sagen, dass es sicherlich einige Lösungsansätze gibt um den „ungewünschten“ Ableitstrom auf die zulässigen Werte zu reduzieren. Hierzu haben wir Ihnen in diesem Beitrag einen ersten Überblick gegeben, wie vielfältig die Ableitströme entstehen können und welche Wege diese nehmen.

Sollten Sie dennoch nicht den Grund für Ihre Ableitströme gefunden haben, ist die Unterstützung von einem Experten notwendig. Wir von Ceno PQ kennen uns mit Herausforderungen dieser Art aus und können Ihnen bei Ihrem Problem Hilfestellung leisten. Sprechen Sie uns bitte unverbindlich an, wir unterstützen Sie gerne sowohl online als auch vor Ort.

Weitere Informationen finden Sie auch in unseren weiteren Blogbeiträgen in der Rubrik Blog.

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