Was ist elektromagnetische Verträglichkeit?
Der Begriff EMV (Elektromagnetische Verträglichkeit) ist den meisten bekannt, doch was genau steckt hinter dem etwas komplexen Begriff? Vereinfacht gesagt beschreibt die elektromagnetische Verträglichkeit die Eigenschaft, wie gut elektrische Geräte gegenseitig mit ihrer „Nachbarschaft“ auskommen, bzw. wie diese auf äußere Einflüsse reagieren. Hierbei kann immer eine Störquelle (ein Gerät oder ein natürliches Ereignis) ausgemacht werden, dieses koppelt zur Störsenke bzw. dem Empfänger (meist einem Gerät). Abbildung 1 stellt dieses schematisch dar.
Abbildung 1: Prinzip der EMV, Störquelle, Koppelweg und Störsenke
Bevor wir im Folgenden uns dem Ganzen weiter aus technischer Sicht nähern, betrachten wir ein Beispiel welches ein Phänomen der elektromagnetischen Verträglichkeit ganz gut beschreibt.
Beispiel für gegenseitige Beeinflussung
Wir betreiben ein handelsübliches Radio an einer Mehrfachsteckdose. Dies funktioniert in der Umgebung problemlos, das Radio spielt wie erwartet Musik ab.
Abbildung 2: Radio funktioniert wie erwartet
Da wir unseren Akku für unser akkubetriebenes Werkzeug nun laden müssen, stecken wir das Ladegerät mit dem zu ladenden Akku neben dem Radio in die Mehrfachsteckdose ein. Sobald wir den Ladevorgang des Akkus beginnen, hören wir von unserem Radio nur noch ein fürchterliches Rauschen.
Abbildung 3: Der Radioempfang wird durch das Ladegerät gestört
Dieses Beispiel macht deutlich, wie sich elektrische Geräte gegenseitig so beeinflussen können. Dies kann soweit gehen, dass ein bestimmungsgemäßer Betrieb (hier: Radio hören) nicht mehr möglich ist.
Wodurch macht sich EMV bemerkbar?
Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Phänomene der EMV vor, allerdings handelt es sich hierbei nur um einen kurzen Überblick, welcher nur die bekanntesten Phänomene beschreibt.
Funktionsbeeinträchtigung
Die elektromagnetische Verträglichkeit macht sich durch vielerlei Effekte bemerkbar. Der wohl bekannteste Effekt ist die Beeinträchtigung der Funktionalität von Geräten, wie wir bereits im Beispiel oben mit dem Radio sehen konnten. Diese Beeinträchtigung ist nur von kurzer Dauer. Solange das Ladegerät in Betrieb ist, ist kein Radiohören mehr möglich. Sobald das Ladegerät ausgeschaltet wird, kehrt das Radio wieder zu seiner gewünschten Funktionalität zurück.
Ein weiterer Effekt der Funktionsbeeinflussung stellen ungewollte Funktionen dar. So können durch elektromagnetische Einflüsse Geräte selbsttätig anlaufen oder unkontrollierte Funktionen ausführen. Dies kann zum Teil folgenlos bleiben oder aber im schlimmsten Fall zu Zerstörungen durch unkontrollierte Bewegungen führen.
Defekt von Geräten
Eine ähnliche, jedoch viel schlimmere Auswirkung, von elektromagnetischer Beeinflussung kann sogar zur Teilzerstörung, bzw. zu einer Zerstörung von Geräten führen. Durch die elektromagnetische Einflüsse wird die Betriebsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt. Bekannteste Ursachen hierfür sind sicherlich Blitzeinschläge oder ESD (Electrostatic Discharge) . Eine weitere oft diskutierte Ursache hierbei sind Oberschwingungen oder auch Oberwellen genannt, mehr dazu finden Sie in unserem Blogbeitrag „Die unterschätzten Einflüsse der elektrischen Energie auf den Betriebsablauf!„.
Flackerndes Licht
Während die beiden bisherigen Phänomene die Geräte selbst beeinträchtigt haben, so haben wir es hier eher mit einer visuellen Erscheinung zu tun. Durch Störungen der Netzspannung beginnen Leuchten zu flackern. Dies wirkt sich je nach Intensität und Dauer stark ermüdend auf den Menschen und somit auf seine Leistungsfähigkeit bzw. Abeitskraft aus. Die auslösenden Effekte in der Netzspannung haben auf Geräte einen ähnlichen Einfluss, welcher meist durch Funktionsstörungen und Ausfälle bemerkt wird.
Ableitströme
Ein weiterer Punkt sind Ableitströme, welche auf dem Schutzleiter (PE) oder anderen Erdungseinrichtungen zu finden sind. Wenn in der Installation zum Schutz von Personen, Tieren und Sachwerten Differenzstromüberwachungsgeräte eingesetzt werden (z.B. FI / RCD / RCM) so können diese fälschlicherweise auslösen und den Stromkreis unterbrechen. Zudem können die Ableitströme über die Gebäudeinfrastruktur fließen und dort zu ungewollter Korrosion an Gebäudeteilen führen.
Ziele der EMV
Das Ziel der elektromagnetischen Verträglichkeit ist im EMV Gesetz ganz gut beschrieben. Das EMV Gesetz stellt die gesetzliche Grundlage dar, nach der jeder, der ein Gerät in Verkehr bringt (verkauft) sicherstellen muss, dass die EMV Eigenschaften des Gerätes die entsprechenden Normen erfüllt.
Auszug aus dem EMVG vom 14. Dezember 2016
„Betriebsmittel müssen nach dem Stand der Technik so entworfen und hergestellt sein, dass
- die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen keinen Pegel erreichen, bei dem ein bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder anderen Betriebsmitteln nicht möglich ist;
- sie gegen die bei bestimmungsgemäßem Betrieb zu erwartenden elektromagnetischen Störungen hinreichend unempfindlich sind, um ohne unzumutbare Beeinträchtigung bestimmungsgemäß arbeiten zu können.
In anderen Worten alle Geräte sind so zu entwerfen, dass sie sich und andere nicht in Ihrer Funktion beeinträchtigen.
Doch warum stören sich dann Geräte wenn diese es eigentlich nicht dürften?
Dies liegt daran, dass es extrem teuer ist ein Gerät so zu konstruieren, dass es andere Geräte nicht stört und auch nicht von anderen Geräten gestört werden kann.
Da wir jedoch alle bezahlbare Geräte haben wollen, muss irgendwo eine Kompromiss gefunden werden. Jedes Gerät muss eine ausreichende Immunität für Störungen von außen besitzen, gleichzeitig darf es aber auch nicht zu sehr stören. In Abbildung 4 ist der Zusammenhang zwischen den Kosten und den EMV Maßnahmen im Gerät abgebildet. Dabei ist gut zu erkennen, dass die grundlegenden Maßnahmen durch einen geringen Kosteneinsatz erreicht werden können (rechter Bereich der roten Linie). Wenn ein sehr geringer Störpegel gewünscht ist, so steigen die Kosten hierfür extrem schnell an (linker Bereich der roten Linie).
Abbildung 4: Vergleich der Kosten zu dem EMV Störpegel
Die Grenzwerte, die nach den Vorgaben des EMV Gesetztes eingehalten werden müssen, sind in Normen festgeschrieben. Die Normung geht davon aus, dass je nach Umgebungsbedingung die gegenseitigen Störungen strenger oder lockerer zu bewerten sind. So wird generell zwischen Wohnumgebungen, Kleinbetrieben und Industrie unterschieden. Zusätzlich gibt es spezielle Normen für gewisse Gerätegruppen, die entsprechend abweichende Grenzwerte definieren. Zu beachten ist, dass die Grenzwerte in der Normung nicht immer durchgängig vorhanden sind, dies liegt meist daran, dass in der Vergangenheit diese Frequenzbereiche für die Technik nicht relevant waren und daher auch nicht näher betrachtet wurden. Heutzutage sind jedoch durch die vielen elektronischen Geräte alle Frequenzbereiche in den Geräten vorhanden und müssen auch betrachtet werden. Daher werden diese nun sukzessive in der Normung aufgenommen. Da Normen nicht in so kurzen Intervallen geändert werden und auch viele internationale Absprachen notwendig sind, dauert dies mitunter mehrere Jahre bis entsprechende Passagen in der Normung aufgenommen werden.
Wie können nun die Störungen beseitigt werden?
Um Störungen zu vermeiden gibt es verschiedene Ansatzpunkte von denen wir im Folgenden die drei wichtigsten kurz vorstellen möchten. In vielen Fällen ist nicht nur einer der genannten Punkte das Mittel zur Wahl, sondern eine Kombination aller drei.
Geräte störungsarm aufbauen
Der naheliegendste Ansatz liegt darin, die einzelnen Geräte so aufzubauen, dass diese möglichst keine Störungen an Ihre Umgebung abgeben. Dies ist allerdings nur bis zu einem gewissen Grad wirtschaftlich sinnvoll, da ansonsten die Kosten übermäßig groß werden. Zudem vergrößert sich meist die Baugröße des Gerätes.
Mögliche Maßnahmen zu Verbesserung der Störaussendung sind z. B.:
- Einsetzen von Filtern (EMV Filtern)
- Schaltungs- und Aufbaurichtlinien welche der EMV zuträglich sind
- Anpassung der Signalformen
- Schirmung von Gehäusen und Leitungen
Abbildung 5: Reduzieren der Störemission
Geräte immun gegen Störungen machen
Der andere Ansatz ist, die Geräte so auszulegen, dass Ihnen egal ist was „von außen“ kommt und diese nie in Ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Dies ist technisch nicht möglich, daher kann immer nur ein „so immun wie möglich auf von außen kommende Störungen sein“ gelten. Aber auch hier kommen wir wieder zu dem Problem das bereits weiter oben erwähnt wurde, irgendwann werden die Kosten für diese Maßnahmen explodieren.
Mögliche Maßnahmen zu Verbesserung der Immunität (Störfestigkeit) sind z. B. :
- Einsetzen von (Sperr-) Filtern (EMV Filtern)
- Schaltungs- und Aufbaurichtlinien welche der EMV zuträglich sind
- Schirmung von Gehäusen und Leitungen
Abbildung 6: Erhöhen der Störfestigkeit
Daher wird beim Vergleich der beiden Maßnahmen „störungsarmer Aufbau“ und „Immunität gegenüber Störungen“ meist darauf gesetzt, ein Optimum zu finden, bei dem die Störaussendung so gering wie möglich jedoch die Immunität groß genug ist.
Abbildung 7 zeigt die Abhängigkeit hierzu. Im Schnittbereich der beiden Kurven werden die Normen angesetzt. Hierbei wird in Kauf genommen, dass es in diesem Bereich durchaus zu Störungen kommen kann, die Maßnahmen allerdings noch im Rahmen von Aufwand und Nutzen stehen.
Abbildung 7: Vergleich der Kosten zur Störwahrscheinlichkeit
Aufbau der Anlagen und Installation nach EMV Gesichtspunkten
Ein letzter Punkt betrifft den Einsatz der Geräte am Bestimmungsort. So kann hier vor allem in der Industrie noch sehr viel Einfluss darauf genommen werden, wie stark die einzelnen Gräte sich gegenseitig beeinflussen.
So sieht ein EMV gerechter Aufbau zum Beispiel ein entsprechendes Erdungskonzept vor, welches die vorhandenen Störungen möglichst in geregelte und nachvollziehbare Bahnen lenkt. Hierzu ist jedoch zu unterscheiden zwischen der Schutzerdung wie diese von z. B. der VDE0100 gefordert wird und der Funktionserdung. Die Funktionserdung befasst sich mit der EMV gerechten Erdung und ist stark frequenzabhängig. So sind hier Leitungswege, Verlegearten, Leitungsaufbau (feindrähtig), Leitungsanordnung, Anschlusstechniken, etc. von enormer Bedeutung. Zudem sind die Maßnahmen jeweils der entsprechenden Situation anzupassen.
Abbildung 8: Reduzierung der Kopplungsmechanismen durch Aufbauregeln
Weiterhin ist eine Trennung vorzusehen, welche stark störende Geräte, Anlagenbereiche und störempfindliche Bereiche trennt. So sind z. B. leistungselektronische Geräte wie Frequenzumrichter soweit wie möglich von der Messtechnik zu trennen.
Zusammenfassung
Abschließend lässt sich somit sagen, die EMV beschäftigt sich damit, dass alle Geräte störungsfrei gemeinsam betrieben werden können. Leider ist dies nicht immer problemlos möglich, da es technische und finanzielle Grenzen gibt. Allerdings kann durch hochwertigere Geräte bereits ein entscheidender Schritt zu einem besseren EMV Verhalten getan werden. Ein weiterer Schritt ist der konsequente EMV gerechte Aufbau von Anlagen um die gegenseitige Beeinflussung so gering wie nur möglich zu halten.
Zudem gibt es entsprechende Normen und technischen Regelwerke, welche entsprechend höhere Anforderungen stellen, um im industriellen Umfeld einen problemlosen Betrieb sicher zu stellen. Auch diese befolgen immer den Ansatz, dass bei allen drei möglichen Ansätzen ein sinnvolles Maß eingehalten werden muss und nicht nur auf eine Maßnahme gesetzt werden kann.
Wir freuen uns, Ihnen damit einen guten ersten Überblick über die EMV gegeben zu haben. Sollten Sie noch weiterführende Fragen und Anregungen haben, so lassen Sie es uns bitte wissen.
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